Gemäss Art. 122 ZGB gilt, dass die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge auszugleichen sind. Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum sind gemäss Art. 123 Abs. 1 ZGB grundsätzlich hälftig zu teilen.
Davon gibt es jedoch Ausnahmen gemäss Art. 124b ZGB. Demnach können die Ehegatten in einer Scheidungsvereinbarung von der hälftigen Teilung abweichen oder auf den Vorsorgeausgleich verzichten. Das macht vor allem bei Ehen ohne traditionelle Aufgabenteilung Sinn, wenn die Ehe kurz und kinderlos ist, beide Ehegatten in Vollzeit erwerbstätig sind und die Pensionierung nicht bevorsteht.
Das Gericht hat die Vereinbarung über den Ausgleich der Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge zu genehmigen und bei einer Abweichung von der hälftigen Teilung zu prüfen, ob eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge gewährleistet bleibt und diese Vereinbarung freiwillig und in Kenntnis der gesamten Umstände erfolgte (Art. 280 ZPO).
Aus wichtigen Gründen kann das Gericht auch ohne Vereinbarung oder Anträge der Parteien von der hälftigen Teilung absehen, wenn aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung oder aufgrund der Vorsorgebedürfnisse, bei starken Altersunterschieden, die hälftige Teilung unangemessen wäre (Art. 124b Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ZGB).
Zudem kann das Gericht auch mehr als die Hälfte der Austrittsleistung zusprechen, wenn der berechtigte Ehegatte gemeinsame Kinder betreut und der verpflichtende Ehegatte nicht darauf angewiesen ist (Art. 124b Abs. 3 ZGB), beispielsweise um die entstandene Vorsorgelücke ab Einleitung des Scheidungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Scheidung auszugleichen.
Mit Art. 125 ZGB besteht zudem die Möglichkeit, einen Vorsorgeunterhalt für die Zeit nach der Scheidung vom anderen Ehegatten zu verlangen, sofern zukünftige Vorsorgelücken bestehen. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn der Anspruchsberechtigte weiterhin nur in Teilzeit erwerbstätig ist oder nur geringe Beträge an die eigene Altersvorsorge einzahlt (bspw. aufgrund selbständiger Erwerbstätigkeit). Sofern aufgrund fehlender freier Mittel der Vorsorgeunterhalt nicht bezahlt werden kann, ist auf die überhälftige Teilung zurückzugreifen (Art. 124b Abs. 3 ZGB).
Exkurs: Die erste Säule (Alters- und Hinterlassenenversicherung) wird von Gesetzes wegen mit der Rechtskraft der Scheidung geteilt (sog. AHV-Splitting). Die Ansparungen in der dritten Säule sind nach den Regeln der Auflösung des Güterstandes aufzuteilen.
Vorstehend wurde davon ausgegangen, dass die Ehegatten noch keine Invaliden- oder Altersleistungen der beruflichen Vorsorge beziehen. In diesen Fällen bestehen andere gesetzliche Grundlagen, auf welche gerne in einem weiteren Blogbeitrag eingegangen wird.
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